9. Juli 2022

Besuch beim Nischel - Chemnitz (Karl-Marx-Stadt)

Chemnitz ist nach Leipzig und Dresden die drittgrößte Stadt in Sachsen. Für touristische Highlights ist die Stadt eigentliche weniger bekannt - da gibt es wesentlich berühmtere Orte. Beworben wird die Stadt Chemnitz immer mit "Stadt der Moderne" - auch darunter kann sich der Tourist nicht allzu viel vorstellen. Aber dank des 9-Euro-Tickets stand tatsächlich ein Ausflug nach ehemals Karl-Marx-Stadt auf dem Plan. Immerhin wollte ich nach vielen Jahren mal wieder zum Karl-Marx-Monument, auch von uns Sachsen liebevoll "der Nischel" genannt.


Los ging es also wieder südlich von Leipzig - mit dem Bus zur S-Bahn und dann umsteigen in Geithain in die Diesel-Bahn, denn die Strecke nach Chemnitz ist nach wie vor nicht elektrisiert. Der Zug mit dem Dieselantrieb überraschte etwas - Nostalgie pur würd ich sagen. Woanders zahlt man extra, um mit so nem antik anmutenden Teil mitfahren zu dürfen. Der Zug war mäßig ausgelastet, die Abteile boten noch Platz für uns und die Sitze waren XXL und saubequem. Vorbei an tollen Landschaften verging die Fahrtzeit wie im Fluge und wir kamen total pünktlich in Chemnitz auf dem Hauptbahnhof an.




Der Hauptbahnhof Chemnitz ist übrigens - genau wie Leipzig - ein Sackbahnhof. Auch hier gibt es an einigen Stellen noch Nostalgisches zu entdecken.





Vom Hauptbahnhof bis zum Nischel ist man etwa 10 Minuten zu Fuß unterwegs. Und zum Karl-Marx-Monument führte auch der erste Weg. Man ist doch immer wieder überrascht, wie riesig der Nischel da vor dem Häuserblock steht - auf Bildern kommt die Größte eigentlich gar nicht so richtig rüber. Seit dem 9. Oktober 1971 steht der Nischel an Ort und Stelle. Aber warum eigentlich? Die Stadt Chemnitz wurde von der DDR am 10. Mai 1953 in Karl-Marx-Stadt umbenannt. Die SED-Regierung hat dies so beschlossen und dann wurde es eben gemacht.



Und weil der Ort nun Karl-Marx-Stadt hieß, war es naheliegend, hier auch eine überdimensionale Büste des Herrn Marx aufzustellen. Immerhin sollte nach der großen Zerstörung im 2. Weltkrieg und der Umbenennung hier eine sozialistische Musterstadt entstehen. Der sowjetische Bildhauer Prof. Lew Jefimowitsch Kerbel wurde beauftragt, das Monument zu fertigen. Mit der Neubebauung der Stadt sollte auch ein Platz für Aufmärsche entstehen und dort eben auch dann das Monument seinen Platz finden. Karl Marx selbst war zu seinen Lebzeiten übrigens niemals in Chemnitz gewesen.

Der Nischel ist 7,1 Meter hoch und steht auf einem 4,50 Meter hohen Granitsockel. Er besteht aus 95 Einzelteilen und wiegt 40 Tonnen. Das Material ist Bronze. Er gehört zu den größten Büsten der Welt. Gegossen wurde das Kunstwerk im damaligen Leningrad (heute St. Petersburg). Der Granit für den Sockel stammt aus einem Steinbruch in der Ukraine.

Hinter dem Monument findet sich auf dem Gebäude ein großer Schriftspiegel. Dieser wurde von den Chemnitzer Künstlern Volker Beier und Heinz Schumann gestaltet und zitiert in vier Sprachen einen Satz aus dem Kommunistischen Manifest: "Proletarier aller Länder vereinigt Euch".

Nach der Wende erfolgte dann die Rückbenennung von Karl-Marx-Stadt zu Chemnitz. Der Nischel ist trotzdem geblieben - und das ist auch gut so. Zum einen ist es ein eindrucksvolles Monument und zum anderen gehört er mittlerweile einfach in die Stadt.

In Brandenburg gibt es übrigens noch einen Ort, welcher zeitweise nach Karl Marx benannt wurde: Marxwalde. Zum 1. Mai 1949 - also noch früher als in Chemnitz - fand hier die Umbenenung statt. Mit der Wende hat auch dieser Ort seinen Namen wieder verloren und heißt nun Neuhardenberg. Und noch etwas haben Chemnitz und Neuhardenberg gemeinsam: In dem brandenburgischen Ort steht ein kleiner Nischel in der Nähe vom Schloss.


Und was ist sonst so los in Chemnitz? Bekannt ist noch der Rote Turm, welcher mich aber dann doch etwas enttäuschte. Irgendwie kleiner als angenommen und dann auch noch geschlossen. Weiterhin gibt es diverse Brunnen, Kunst und Denkmäler, Museen und einige wenige schöne alte Gebäude. Durch die Zerstörung im 2. Weltkrieg ist nicht all zu viel Historisches übrig. Auffallend ist die Architektur der DDR in den Lücken, die er Krieg damals hinterließ. Insgesamt prägt diese Mischung das Stadtbild und macht es wohl einzigartig.








Eine klare Empfehlung ist wieder mal das Wenzels, welches es auch in Chemnitz gibt. Gute böhmische Küche und leckeres böhmisches Bier. Mitten in der Stadt zu finden mit einem schönen Freisitz.


Alles in allem lohnt ein Ausflug nach Chemnitz durchaus. Und ich denke, in den nächsten Monaten wird die Stadt nochmal richtig Gas geben, um ihren Bürgern und Besuchern etwas zu bieten. Denn im Jahr 2025 wird Chemnitz Kulturhauptstadt Europas sein. Potential ist vorhanden!






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