Chemnitz ist nach Leipzig und Dresden die drittgrößte Stadt in
Sachsen. Für touristische Highlights ist die Stadt eigentliche weniger
bekannt - da gibt es wesentlich berühmtere Orte. Beworben wird die Stadt
Chemnitz immer mit "Stadt der Moderne" - auch darunter kann sich der Tourist
nicht allzu viel vorstellen. Aber dank des 9-Euro-Tickets stand
tatsächlich ein Ausflug nach ehemals Karl-Marx-Stadt auf dem Plan.
Immerhin wollte ich nach vielen Jahren mal wieder zum Karl-Marx-Monument,
auch von uns Sachsen liebevoll "der Nischel" genannt.
Los ging es also wieder südlich von Leipzig - mit dem Bus zur S-Bahn und
dann umsteigen in Geithain in die Diesel-Bahn, denn die Strecke nach
Chemnitz ist nach wie vor nicht elektrisiert. Der Zug mit dem Dieselantrieb
überraschte etwas - Nostalgie pur würd ich sagen. Woanders zahlt man
extra, um mit so nem antik anmutenden Teil mitfahren zu dürfen. Der Zug war
mäßig ausgelastet, die Abteile boten noch Platz für uns und die Sitze waren
XXL und saubequem. Vorbei an tollen Landschaften verging die Fahrtzeit wie
im Fluge und wir kamen total pünktlich in Chemnitz auf dem Hauptbahnhof an.
Der Hauptbahnhof Chemnitz ist übrigens - genau wie Leipzig - ein
Sackbahnhof. Auch hier gibt es an einigen Stellen noch Nostalgisches zu
entdecken.
Vom Hauptbahnhof bis zum Nischel ist man etwa 10 Minuten zu Fuß
unterwegs. Und zum Karl-Marx-Monument führte auch der erste Weg. Man ist
doch immer wieder überrascht, wie riesig der Nischel da vor dem Häuserblock
steht - auf Bildern kommt die Größte eigentlich gar nicht so richtig rüber.
Seit dem 9. Oktober 1971 steht der Nischel an Ort und Stelle. Aber warum
eigentlich? Die Stadt Chemnitz wurde von der DDR am 10. Mai 1953 in
Karl-Marx-Stadt umbenannt. Die SED-Regierung hat dies so beschlossen
und dann wurde es eben gemacht.
Und weil der Ort nun Karl-Marx-Stadt hieß, war es naheliegend, hier auch
eine überdimensionale Büste des Herrn Marx aufzustellen. Immerhin sollte
nach der großen Zerstörung im 2. Weltkrieg und der Umbenennung hier eine
sozialistische Musterstadt entstehen. Der sowjetische Bildhauer Prof. Lew
Jefimowitsch Kerbel wurde beauftragt, das Monument zu fertigen. Mit der
Neubebauung der Stadt sollte auch ein Platz für Aufmärsche entstehen und
dort eben auch dann das Monument seinen Platz finden.
Karl Marx selbst war zu seinen Lebzeiten übrigens niemals in Chemnitz
gewesen.
Der Nischel ist 7,1 Meter hoch und steht auf einem 4,50 Meter hohen
Granitsockel. Er besteht aus 95 Einzelteilen und wiegt 40 Tonnen. Das
Material ist Bronze. Er gehört zu den größten Büsten der Welt. Gegossen
wurde das Kunstwerk im damaligen Leningrad (heute St. Petersburg). Der
Granit für den Sockel stammt aus einem Steinbruch in der Ukraine.
Hinter dem Monument findet sich auf dem Gebäude ein großer Schriftspiegel.
Dieser wurde von den Chemnitzer Künstlern Volker Beier und Heinz Schumann
gestaltet und zitiert in vier Sprachen einen Satz aus dem Kommunistischen
Manifest: "Proletarier aller Länder vereinigt Euch".
Nach der Wende erfolgte dann die Rückbenennung von Karl-Marx-Stadt zu
Chemnitz. Der Nischel ist trotzdem geblieben - und das ist auch gut so. Zum
einen ist es ein eindrucksvolles Monument und zum anderen gehört er
mittlerweile einfach in die Stadt.
In Brandenburg gibt es übrigens noch einen Ort, welcher zeitweise nach Karl
Marx benannt wurde: Marxwalde. Zum 1. Mai 1949 - also noch früher als
in Chemnitz - fand hier die Umbenenung statt. Mit der Wende hat auch dieser
Ort seinen Namen wieder verloren und heißt nun Neuhardenberg. Und noch etwas
haben Chemnitz und Neuhardenberg gemeinsam: In dem brandenburgischen Ort
steht ein kleiner Nischel in der Nähe vom Schloss.
Und was ist sonst so los in Chemnitz? Bekannt ist noch der Rote Turm,
welcher mich aber dann doch etwas enttäuschte. Irgendwie kleiner als
angenommen und dann auch noch geschlossen. Weiterhin gibt es diverse
Brunnen, Kunst und Denkmäler, Museen und einige wenige schöne alte Gebäude.
Durch die Zerstörung im 2. Weltkrieg ist nicht all zu viel Historisches
übrig. Auffallend ist die Architektur der DDR in den Lücken, die er Krieg
damals hinterließ. Insgesamt prägt diese Mischung das Stadtbild und macht es
wohl einzigartig.
Eine klare Empfehlung ist wieder mal das Wenzels, welches es auch
in Chemnitz gibt. Gute böhmische Küche und leckeres böhmisches Bier.
Mitten in der Stadt zu finden mit einem schönen Freisitz.
Alles in allem lohnt ein Ausflug nach Chemnitz durchaus. Und ich denke, in
den nächsten Monaten wird die Stadt nochmal richtig Gas geben, um ihren
Bürgern und Besuchern etwas zu bieten. Denn im Jahr 2025 wird Chemnitz
Kulturhauptstadt Europas sein. Potential ist vorhanden!
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