Das Dhraa ist vielen auf Mallorca ein Begriff. War es doch mit seiner Eröffnung vor fast 40 Jahren der größte und bekannteste Nachtclub auf der Insel. Und selbst spanienweit war das Dhraa bekannt. Architektur und Nachtleben machten es einst berühmt - derzeit ist es (noch) ein Lost Place - doch es gibt Pläne für eine Wiederbelebung des Areals.
Aber erstmal ein Blick zurück: Am 24. Juli 1984 öffnete auf Mallorca der Nachtclub Dhraa an der MA 4023 zwischen Porto Cristo und Cala Millor. Die Location ist ein Hingucker – modern, avantgardistisch, exklusiv. Entworfen wurde das Areal von den Architekten Andrés Bennassar und Gabriel Allende unter der Leitung von José Ángel Suárez Gonzalez-Mayo. Und wie man heute noch sehen kann, war das ein Meisterwerk. Auch wenn auf den ersten Blick alles etwas durcheinander erscheint und man gar nicht richtig begreift, ob das nun schon teilweise zerfallen ist oder ob das so gewollt war, so ergibt sich auf den zweiten Blick doch eine gewisse Logik der Anordnung der Bereiche.
Eingang von innen |
Darstellen sollte das Ensemble diverser architektonischer Highlights die Ruinen des Jahres 3000. Ok, da wir immer noch nicht in diesem Jahr angekommen sind, kann man die Architektur auch fast 40 Jahre nach dem Bau noch immer als futuristisch bezeichnen.
Das Gesamtareal erstreckt sich auf rund 9.000 Quadratmetern und hat eine dreieckige Form und ist wie gesagt in verschiedene Areale unterteilt, welche jeweils einen ganz eigenen Stil haben. Allein der Eingang ist wie eine Art Portal in eine andere Welt.
Hinten rechts befindet sich ein spiralförmiger Turm, welcher aus einer Wendetreppe mit 80 Stufen besteht – von hier aus hat man eine gute Sicht auf das ganze Gelände.
Es gibt ruinenähnliche Bauabschnitte und dann auch wieder überdachte Teile. Die Mitte ist relativ offen gehalten und es wirkt, als wäre hier etwas hineingestürzt. Reste eines Pools sind in der Mitte des Areals ebenfalls noch auszumachen. Auf der linken Seite war auf einer Stahlkonstruktion eine Pyramide – bis sie dann im Sommer 2021 einstürzte – der Zahn der Zeit hatte hier genagt und zum Glück kam niemand zu Schaden.
Stahlkonstruktion der Pyramide von außen |
hier war mal die Pyramide |
Inwieweit die heutige Anordnung der Gebäudeteile noch dem Ursprungsbauwerk entspricht, ist schwer zu sagen. Denn es gab nach dem Dhraa noch weitere Nutzungen des Objekts. Aber dazu später… erstmal zur Geschichte des ehemals größten und bekanntesten Nachtclubs der Insel.
Die meisten Zeitungen beschrieben das Dhraa als Markodisko. Es fanden hier auch allerhand Leute Platz. Zu lesen ist davon, dass bei der Eröffnung 10.000 Gäste anwesend waren. Insgesamt war die Kapazitätsgrenze wohl bei 15.000 Menschen. Das ist schon Wahnsinn! Die wollen ja erstmal alle irgendwo sitzen, stehen, tanzen und was und bekommen irgendwann auch Durst. Es ist also eine riesige Location, wo mal mächtig was los war.
Doch es war eben auch keine normale Disko. Es gab ein vielfältiges Programm von Künstlern, Feuerwerk und guter Musik. Zwei starke Laserstrahlen erleuchteten den Himmel und wiesen den Weg ins Nachtparadies - auch wenn wohl nicht ganz legal, da der Flugverkehr hätte gestört werden können. Die Tanzfläche umfasste 600 Quadratmeter und Getränke konnte man zu den besten Zeiten an insgesamt 6 Bars ordern.
Renommierte Künstler bereicherten das Dhraa mit ihren Auftritten in großer Regelmäßigkeit. So zum Beispiel Nina Hagen mit ihrem Konzert „Banned from East Berlin“ am 28. August 1987. Der Preis für das Ticket betrug damals 2.000 Pesetas – was knapp 24 DM entsprach.
Nach nur 9 Jahren Betrieb – im Jahre 1993 - wechselte der Betreiber der Location und damit auch der Name. Von nun an hieß es CAMELOT. Kunstwerke wurden entfernt und die Erscheinung wandelte sich ebenfalls und alles kam etwas historischer daher. Die groben architektonischen Merkmale blieben aber erhalten. Allerdings konnte das CAMELOT nie an die Erfolge des Dhraa anknüpfen. 2002 war es dann eine Gruppe von Leuten aus Manacor, welche ein Projekt namens Nitsmàgiques – zu deutsch: magische Nächte – ins Leben riefen. Internationale Künstler, Live-Musik und Shows sollten das alte Dhraa wiederbeleben. Doch leider wurde das Projekt erst verschoben und dann wohl ganz abgesagt.
Auch später wechselte der Betreiber der Location und wohl auch der Name noch weiter, jedoch kennt diese Location bis heute jeder unter dem Namen Dhraa. Allein das sagt auch viel darüber aus, welche Strahlkraft das Dhraa damals hatte.
Schaut man sich alte Straßenansichten an, so stellt man fest, dass um 2012 herum ein großes Grillrestaurant namens TORRADOR GRILL hier beheimatet gewesen sein muss. Aber schon 2014 wucherte das Gras am ehemaligen Portal des Dhraa und 2016 waren alle Palmen, welche die Auffahrt säumten, geköpft. Auch der große Parkplatz hinter dem Dhraa wurde irgendwann nach 2003 wohl zurückgebaut und ist heute wieder überwachsen.
Zwischen 2017 und 2019 kamen dann die ersten Graffiti an der Straßenseite aufs Mauerwerk – dies waren aber eher nur Bombings. Aber auch im Inneren finden sich einfache Wandmalereien. Werke von zwei „Künstlern“ hab ich an einem anderen Lost Place auf der Insel noch wiedererkannt. Zum einen der, der die filigraneren Gesichter malt und den Mund an Öffnungen im Mauerwerk setzt und der, welcher die bunten Köpfe mit den unterschiedlich großen Augen sprüht.
der LP-Pimmel und ein kluger Spruch fehlen auch nicht |
Dennoch bliebt das Dhraa in Erinnerung und wohl bis in die Gegenwart legendär. Eine lokale Band namens ROIG! widmete 2015 dem Dhraa sein gleichnamiges Album – eine Art Hommage an die ehemalige Disco. Das Cover des Albums ist im Dhraa-Style gestaltet und der Titel Nr. 14 trägt ebenfalls den Namen Dhraa. Das dazugehörige Musikvideo ist ebenfalls in der Location abgedreht worden - wo auch sonst!
Und auch für ein weiteres Musikvideo war das Dhraa Kulisse. Das Video zum Song "Nicht verdient" von Michelle & Matthias Reim aus dem Album "Tabu", welches im Jahr 2018 veröffentlicht wurde, ist dort ebenfalls aufgenommen worden. Hier kommen die Elemente des Dhraa im Musikvideo richtig gut zur Geltung und die Pyramide ist auch noch zu sehen (Link zu beiden Musikvideos unterm Blog).
Im Jahr 2021 dann bekam das Gelände wieder einen neuen Eigentümer, nachdem es seit 2016 immer wieder zum Verkauf stand. Der Deutsche Markus B., welcher seit 8 Jahren auf Mallorca lebt, erstand das ehemalige Dhraa für rund 250.000 Euro. Klingt jetzt erstmal nach gar nicht so viel Geld für ein riesiges Grundstück mit grandioser Architektur drauf, welches auch noch an einer Straße liegt, wo viele Menschen langfahren. Aber auch die beste Ruine kommt mal in die Jahre und so ist der Kaufpreis wirklich Peanuts gegenüber dem, was noch investiert werden muss, damit Menschen hier wieder Kultur, Musik und Essen genießen können.
Makus war es dann auch, der mich aufs Gelände gelassen hat. Ich war überglücklich als ich die Zusage für eine Besichtigung erhielt. Ich bin schon so oft dran vorbeigefahren und hab mich immer gefragt, wie es wohl hinter den Mauern ausschaut. Das Gelände ist verschlossen und gesichert, so dass hier der Urbexer-Codex „Was zu ist, bleibt zu“ greift und die Neugier eben nicht befriedigt werden konnte.
Ansicht beim Vorbeifahren |
Ich bin ja immer an Lost Places mit Geschichte interessiert. Und das Dhraa war für mich umso interessanter, da es ja nun ein Lost Place mit Zukunft zu sein scheint – hat man ja leider nicht so oft. Natürlich hab ich bei der Gelegenheit nicht nur viele Fotos gemacht, sondern auch einen kleinen Videorundgang festhalten können - besser gesagt, hat mein Sohn die Anfertigung der bewegten Bilder wieder mal übernommen:
Und ich habe die Gelegenheit genutzt, Markus auch ein paar Fragen zu stellen. Dabei erfuhr ich dann, dass das Projekt für Markus neben den normalen Geschäften eher etwas Besonderes ist. Er wollte das Dhraa irgendwie schon lange haben und eines Tages hat er zugeschlagen. Natürlich kann man sowas nur machen, wenn man sowohl KnowHow als auch Ressourcen in der Hinterhand hat, um dann daraus auch was entstehen zu lassen. Und da denke ich, ist das Areal bei Markus in guten Händen.
Geplant ist eine Art Day-Club. Der Pool soll wieder Wasser bekommen, DJs werden auflegen, Live-Musik wird es auch geben. Weiterhin soll die Location für diverse Veranstaltungen genutzt werden können. Und an der alten großen Bar wird wieder kühles Bier gezapft. Auf keinen Fall soll es wieder eine reine Disco werden. Und für die Zeit, wenn es für eine ordentliche Poolparty zu kalt ist, hat Markus auch schon Ideen. So kann er sich vorstellen, hier unter anderem auch Weihnachtsmärkte zu veranstalten. Und wenn man so im Dhraa steht und den Ideen lauscht, dann kann man sich das tatsächlich alles ganz gut vorstellen. Das Gelände ist wirklich von der Nutzung her sehr vielfältig geeignet und wenn alles mal wieder aufgehübscht ist, wird das echt ne tolle Location.
Auf die Frage, was derzeit für ihn die größte Hürde beim Projekt ist, blieb er ziemlich entspannt, denn es gibt weder Eile noch größere Probleme. Und um über einen Eröffnungstermin fürs ehemalige Dhraa zu reden, ist es auch noch viel zu früh. Das wird noch ne Weile dauern. Aber das Gute ist, dass die Genehmigungen für seine Vorhaben vorliegen und so kann er nun nach und nach die Ideen umsetzen und das Projekt wachsen lassen.
Und was denken die Nachbarn so über die Pläne? Da erhielt ich die Antwort, dass es da durchaus gemischte Meinungen gibt. Zum einen gibt es Menschen, die sich freuen, dass der Lost Place verschwindet und die Location wiederbelebt wird und dies ja auch dem Umfeld dienlich ist – sowohl für Einheimische als auch Touristen könnte das interessant sein. Zum anderen fürchten manche Leute auch um ihre Ruhe, die hier die letzten Jahre definitiv herrschte. Denn seit etwa 7 Jahren war hier – wie wir in Deutschland so schön sagen: der Hund verreckt. Oder doch die Katze? Letztere lag jedenfalls vorm Eingangsportal – da kommt dann doch wieder bissel Urbexer-Feeling auf 😉
Natürlich musste ich auch die Frage nach dem Namen stellen. Und nein, es wird nicht weiterhin Dhraa heißen. Dhraa ist Vergangenheit – eine andere Ära und es wird nie wieder sein wie früher. Auch möchte man nicht das Früher als Maßstab nehmen und eventuell falsche Erwartungen wecken. Eher will man den Leuten zu verstehen geben, dass hier etwas Anderes und etwas Neues entsteht. So gesehen, kann ich die Entscheidung nachvollziehen, den Namen nicht beizubehalten. Aber eines ist sicher: Im Volksmund wird es noch sehr lange „das Dhraa“ sein.
Falls jemand von Euch noch Bilder aus alten Zeiten des Dhraa hat und sie mir kostenfrei - gern bei Namensnennung - für diesen Blogpost zur Verfügung stellt, dann her damit – am besten per Mail an hugolienchen at gmx.de. Und wenn jemand von Euch früher mal im Dhraa zu Gast war, dann gern mal in die Kommentare schreiben, was so abging.
Eine Frage allerdings bleibt für mich bis heute unbeantwortet: Nämlich die, was das Wort Dhraa bedeutet. Ich fand bei Google dazu keine schlüssige Übersetzung, auch konnte mir niemand die Frage beantworten. Sollte ich es jemals herausfinden, werde ich diesen Absatz im Blog ergänzen bzw. ändern.
Es bleibt also spannend – in jeder Hinsicht! Markus wünsche ich viel Erfolg bei der weiteren Planung und Realisierung für die neue Location. Es wäre doch wirklich grandios, wenn diesem genialen Ort wieder Leben eingehaucht wird. Und bestimmt komm ich irgendwann nochmal wieder – dann zu den ganz offiziellen Öffnungszeiten.
Musikvideo "Nicht verdient" - Michelle & Matthias Reim: LINK
Musikvideo "Dhraa" von Roig!: LINK
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