Heute stehen die Tore am alten Gefängnis in Palma de Mallorca offen.
Und das schon seit vielen Jahren. Mittlerweile ist es ein klassischer
Lost Place - allerdings mit einer Besonderheit: Es gibt neue
Bewohner!
Im Stadtsteil Cas Capiscol im Norden von Palma de Mallorca befindet sich der
alte Knast der Insel - ganz in der Nähe des neuen Gefängnisses. Es ist schon
von der Gegend her dort nicht so gemütlich, aber hat den Vorteil, dass man
tatsächlich direkt am Spot einen Parkplatz bekommt. Man darf nur nicht so
viel nach rechts und links schauen und ignoriert am besten, dass da auch
schon halb ausgeschlachtete Autos rumstehen.
Das alte Gefängnis ist umgeben von hohen Mauern mit Stacheldraht obendrauf.
Dass es nicht mehr in Betrieb ist, erkennt man zuerst wohl dran, dass die
Außenmauern farbenfroh voller Graffiti sind und gar nicht den
Eindruck erwecken, als würden hier noch Leute weggesperrt. Ein weiteres
Indiz für die Aufgabe des Ortes ist, dass ein großes Metallschiebetor einen
Spalt weit offen steht. Es existiert keine Absperrung und auch kein
Betretungsverbotsschild. Also nichts wie rein!
Kurz vor uns betrat ein älterer Herr mit einer größeren Kamera bewaffnet das
Objekt. Der wollte sich den Spot sicherlich auch anschauen und war auf der
Suche nach tollen Fotomotiven. Ich ließ ihm etwas Vorsprung und folgte dann
ebenfalls durch das offene Gefängnistor. Der Herr war da schon um die Ecke
und außer Sichtweite. Ich hab mich erstmal orientiert und gestaunt - denn
drinnen waren noch mehr Graffiti - durchaus von künstlerischem Wert.
Als ich dann auch an der Ecke angekommen war, um die der Herr zuvor
verschwand, kam dieser eiligen Schrittes schon zurück. Er sagte im
Vorbeigehen nur die Worte "be careful!". Und da war mir klar, dass die
anderen Leute, die ich hab rumhuschen sehen, keine Besucher waren. Hier
wohnen Okupas. Aber vermutlich nicht nur die harmlose Sorte, welche sich
keine andere Bleibe leisten kann.
Da ich mit Sohn und Mutter unterwegs war, war hier also doch etwas Vorsicht
geboten - kein optimales Ziel für einen Drei-Generationen-Ausflug. Wir
wurden auch von Bewohnern beäugt. Einer fuhr mit einem Roller an uns vorbei
und grüßte sogar freundlich. Aber ein anderer schlich an einem der alten
Wachtürme rum und schien uns nicht aus den Augen zu lassen. Also sind wir
letztlich nur in ein Gebäude rein und haben uns umgesehen. Es gab außer
Zerstörung auch gar nicht mehr viel zu erkunden.
Wir gelangten dann noch in den Innenhof, wo ich keine anderen
Menschen mehr wahrnahm. Aber weiter rein in andere Gebäudeteile hab ich mich
dann nicht getraut - ich hatte da kein gutes Gefühl. Und wie ich im
Nachhinein auch gelesen habe, ist der alte Zellentrakt wohl auch bewohnt.
Das ist schon krass, dass hier die Straftat im alten Strafvollzug sozusagen
gelebt wird. Und es zeigt auch sehr deutlich die schattige Seite der
sonnigen Insel. Das Problem mit den Okupas scheint auf Mallorca von Jahr zu
Jahr zu wachsen und die Verantwortlichen auf der Insel scheinen es zu dulden
bzw. eben zu wenig gegen die Nöte der Menschen zu unternehmen.
Also eben nur einen Teil des Spots erkundet. Der Gebäudekomplex ist komplett
eingefasst von der hohen Mauer und es gibt innen erstmal einen sehr breiten
Weg zwischen Mauer und dem Gebäude. An vier Ecken sind in der Mauer eine Art
Wachtürme - und dort scheinen auch die neuen Bewohner drin zu hausen
- denn an zwei Türmen sah ich Menschen, wie sie rein und rausgingen.
Aber mal zur Geschichte dieses Spots: Das alte Gefängnis von Mallorca wurde
im Jahr 1968 erbaut. Es war bis zum Sommer 1999 in Nutzung als Haftanstalt.
Danach war in einem Teil davon noch bis 2015 die Leitstelle der Guardia
Civil beheimatet. Seit 2015 steht das Gelände mit den Gebäuden nun komplett
leer und ist zum Lost Place verkommen.
Das Hauptgebäude, welches eine einzigartige Architektur hat, besteht aus
mehreren Teilen, die miteinander verbunden sind und besitzt mehrere
Innenhöfe. Einen dieser Innenhöfe konnte ich mir anschauen. Hier stand noch
ein alter Basketballkorb. Und man konnte von hier aus auf den Trakt mit den
Zellen blicken.
Wie ich feststellte, war ich dann wohl durch die Werkstätten, evlt.
die alte Schneiderei in diesen Innenhof gelangt. Häftlinge haben
damals hier die Zuschnitte für eine Lederjackenproduktion aus Magaluf
vorgenommen. Wenn man sich als Häftling bei dieser Arbeit geschickt
anstellte, konnte man hier gut verdienen. Aber bezahlt wurde nicht in
normalem Geld. Denn im alten Knast von Palma gab es eine eigene Währung. Das
alles gibt es heute im neuen Gefängnis allerdings nicht mehr.
Im alten Knast waren um die 600 Häftlinge untergebracht und das Gefängnis
war damit regelmäßig überfüllt. Man konnte wohl gar nicht alle Häftlinge
immer unterbringen - viele wurden auch aufs Festland geschickt, um ihre
Strafe zu verbüßen. Heute in dem neuen Gefängnis gibt es übrigens Platz für
1200 Häftlinge. Aber die Haftbedingungen sind andere. Denn damals war es
wohl im alten Knast so, dass es nicht so viele vereinzelte Bereiche für die
Gefangenen gab. Neulinge und Wiederholungsinsassen waren oft zusammen
untergebracht. Auch gab es Bereiche, wo Häftlinge ihren eigenen Schlüssel
zur Zelle hatten, denn es wurde nur der Gang von den Wärtern abgesperrt. Es
gab die Zellentrakte und dann auch Gemeinschaftsbereiche. Aber alles in
allem reichte der Platz vorne und hinten nicht und die Infrastruktur sowie
die Bausubstanz waren auch nicht mehr so zeitgemäß.
Drogen waren im alten Knast auch stets ein Problem. Und auch Terroristen
beherbergte die Haftanstalt bis Mitte der 90er Jahre. Es waren baskische
ETA-Terroristen, welche sich stets von den anderen Häftlingen isolierten und
sich ins Lernen vertieften. Sie studierten dort tatsächlich und auch
Abschlussprüfungen wurden dann im Gefängnis durchgeführt.
Nachdem das Gefängnis dann geschlossen war und überwiegend leer stand,
schickte der Direktor des neuen Gefängnisses, welches in unmittelbarer Nähe
ist, immer mal Häftlinge rüber, um nach dem rechten zu sehen und zu
vermeiden, dass sich hier Obdachlose einquartieren. Durchgehalten hat man
diesen Plan bis heute jedenfalls nicht.
Kommt mit auf einen kleinen Rundgang per Video und schaut Euch den Zustand von Palmas altem Knast an:
Man hatte übrigens bereits viele Pläne, was man aus diesem alten Bau machen
könnte. Es gab auch schon nach 2008 Theatervorstellungen und die
mallorquinische Band Meeting Point hat hier einen Videoclip gedreht. Auch
als Filmkulisse diente das alte Gefängnis schon. Aber das sind alles nur
einzelne kleinere Events gewesen und nie etwas Beständiges.
Lange Zeit war geplant, hier ein Kulturzentrum zu errichten und das
Künstlerkollektiv "Som sa presó" hatte der Stadt dazu auch ein Projekt
vorgestellt. Das war um Zeit des Jahres 2018 herum. Man hatte Ideen, wonach
die alten Zellen Probenräume für Musiker werden und die Gemeinschaftsräume
als Eventlocation dienen könnten. Die alte Kantine wollte man für Workshops
nutzen. Auch wenn man im Juni 2018 mit Renovierungsarbeiten begonnen hatte
und für den Sommer schon erste Events plante, so ist das Projekt letztlich
dann wohl doch gescheitert.
Dann im Jahr 2021 gab es wieder neue Pläne für das Gelände und das alte
Bauwerk. Die erste grüne Superinsel sollte es für die Stadt Palma werden.
Viel Grün in einem großen Park, über 100 Sozialwohnungen, eine Schule,
Einrichtungen für Künstler oder auch zusätzlicher Wohnraum für Studenten und
Forscher waren im Gespräch.
Im Juni 2021 wurde dieses Nutzungskonzept dann auch durch Änderung des
Generalplans von Palma in diesem Bereich festgeschrieben. Die einzigartige
Architektur des Gebäudekomplexes soll erhalten bleiben. Und mit dem vielen
Grün ringsrum will man dem Klimawandel entgegenwirken.
Ende 2021 fiel dann die Entscheidung, die Option der Studentenunterbringung
zu realisieren. Im Mallorca-Magazin war dazu zu lesen, dass der Rektor der
Balearen-Universität bekannt gab, das alte Gefängnis zu einem
Studentenwohnheim umzubauen. Das Thema mit dem Kulturzentrum hat auch noch
Bestand und so soll ein Zentrum für Kulturschaffende wohl ebenfalls
entstehen. Aber alles geht hier sehr langsam seinen Gang, da wird auch
künftig noch viel Geduld gefragt sein.
Das Grundstück, auf welchem der alte Knast steht, ist Eigentum der Stadt
Palma. Die Kosten für den Umbau werden wohl von der Balearen-Regierung
getragen. Erhalten bleibt auf jeden Fall das alte Gebäude - eben wegen
seines architektonischen Wertes. Abgerissen werden sollen hingegen die
Wärterunterkünfte.
Und nun, im Jahr 2023 stellt man fest: Nichts ist passiert. Das Gelände ist
vermüllt. Es wohnen hier Menschen, die vermutlich woanders keine Bleibe mehr
finden. Die Zeitung Diario de Mallorca schrieb dazu im September 2022 die
Schlagzeile "Das alte Gefängnis in Palma, eine Müllhalde, die Obdachlose
beherbergt". Den Eindruck, den diese Schlagzeile erweckt, kann ich durchaus
teilen.
Es gibt hier wohl zwei Gruppen von Neu-Bewohnern: Zum einen diejenigen, die
noch ein halbwegs geregeltes Leben - aber eben ohne Wohnung - haben. Die
versuchen, hier irgendwie klar zu kommen. Zu denen gehörte vermutlich auch
der freundlich grüßende Mann, der auf einem Roller an uns vorbeifuhr.
Und dann leben hier wohl aber auch die anderen, deren Leben von Drogenkonsum
und Kriminalität dominiert wird. Beide Gruppen kommen auf dem Gelände wohl
irgendwie aus und meiden sich. Da man Menschen ja oft nicht ansieht, ob sie
nett oder weniger nett sind, ist das halt vor Ort schwer einzuschätzen, ob
man sich nähern kann oder lieber fern bleiben sollte. Auf jeden Fall sieht
man sehr deutlich, dass hier bewohntes Gebiet ist. Denn auf dem Stacheldraht
neben den Wachtürmen wird Wäsche aufgehangen. Und auch sieht man, dass die
Fenster der Wachtürme verhangen worden sind und dass notdürftig unten Türen
hingestellt wurden. Das sind ja schonmal deutliche Zeichen, dass hier
Menschen versuchen, ihr kleines Reich abzugrenzen. Und das sollte mal halt
irgendwie auch respektieren. Ein Mann brüllte uns auch irgendwas hinterher.
Verstanden hab ich natürlich nichts. Aber das war dann der Punkt, an dem wir
entschieden, wieder durch das offene Gefängnistor abzuhauen.
Die nähere Umgebung ist irgendwie auch ziemlich gruselig. Am sehenswertesten
sind wirklich die Graffiti, welche irgendwie perfekt in diese Umgebung
passen und einen gewaltigen Farbtupfer in die Tristesse bringen.
Auf shootingspain.info wird das alte Gefängnis von Palma derzeit noch als
Location angeboten. Als Kontakt ist die Mallorca Film Commission angegeben,
die es sich zum Ziel gesetzt hat, die touristische Werbung für Mallorca zu
optimieren. Nunja, ich bin da etwas ratlos, was man mit diesem Spot an
touristischer Werbung für die Insel optimieren möchte. Hier wären
Müllentsorgung und Versorgung der Menschen mit Wohnraum wohl erstmal von
Priorität. Danach könnte man ggf. geführte Lost-Place-Touren anbieten ...
oder vielleicht doch endlich mit dem Umbau anfangen?
Ich werde hier sicherlich irgendwann nochmal vorbeifahren und schauen, ob
sich was getan hat.
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