1. April 2023

Zugiger Charme - Lost Place Ringlokschuppen Leipzig-Süd


Im Leipziger Süden befindet sich ein alter Ringlokschuppen, welcher seit vielen Jahren leer steht und zum Lost Place geworden ist. Aber wird das auch so bleiben? Wo derzeit noch Graffiti dominieren, könnte bald das alte Bauwerk in neuem Glanze erstrahlen.



Im Jahr 1895 wurde in der Nähe des Bayerischen Bahnhofs im Leipziger Süden dieser Ringlokschuppen mit Drehscheibe gebaut. Heute dreht sich hier allerdings nichts mehr, außer vielleicht die kleine Kugel in der Spraydose der Graffitikünstler.

Seit Jahren liegt das Areal brach und der alte Lokschuppen verfällt. Früher gab es hier auch mal noch einen zugehörigen Wasserturm, von dem aber nichts mehr zu sehen ist. Die beiden Schornsteine am Ringlokschuppen stehen noch und das bleibt wohl auch so. Denn das Bauwerk steht unter Denkmalschutz und ist in der Liste der Kulturdenkmale des Freistaates Sachsen unter der Nummer 09296714 zu finden. Immerhin ist das Bauwerk von verkehrsgeschichtlicher Bedeutung.




Zur Geschichte des Areals: Was heute hier noch zu sehen ist, gehörte einstmals zum Gesamtareal des Bayerischen Bahnhofs. Dieser war einer von 6 Leipziger Bahnhöfen, die im 19. Jahrhundert in der Stadt Leipzig errichtet wurden. Im Zweiten Weltkrieg gab es hier jedoch große Zerstörungen. Bei den Luftangriffen am 4. Dezember 1943 und am 20. Februar 1944 wurden der Bahnhof an sich und auch ein damals weiterer existierender Lokschuppen sowie weitere Bahngebäude zerstört. Übrig geblieben war nur der Portikus im Norden des Geländes, ein Wasserturm sowie dieser Lokschuppen am südlichen Ende.

Dieser Ringlokschuppen, welcher den Krieg überstanden hat, war der letzte Lokschuppen, welcher auf dem Areal errichtet wurde. Denn bereits 1842 entstand hier ein Heizhaus und 15 Jahre später auch verschieden eisenbahntechnische Werkstätten. 1865 wurde der erste Ringlokschuppen mit 15 Ständen gebaut. Und da dieser nicht mehr ausreichend war, kam dann 1875 ein weiterer Lokschuppen mit 19 Ständen und einer Drehscheibe hinzu. Der Bahnverkehr stieg jedoch immer weiter an, so dass auch diese Kapazitäten nicht mehr ausreichten und so entstand 1895 ein weiterer Ringlokschuppen, welcher heute als einziger noch steht. Er wurde zuerst mit 10 Ständen erbaut und später auf 20 Stände erweitert. Die zugehörige Drehscheibe hat einen Durchmesser von 15 Metern.




Das Bahnbetriebswerk war für die Bespannung von Reise- und Güterzügen in Richtung Süden zuständig. So zum Beispiel für Züge in Richtung Altenburg und Hof. Loks wurden hier angeheizt und auch Reparaturen an den Zügen vorgenommen.

Betrieben wurde dieses Bahnbetriebswerk anfangs von der Sächsisch-Bayerischen Eisenbahn-Compagnie. Im Jahr 1922 ging das Werk zur Deutschen Reichsbahn - Reichsbahndirektion Dresden - über. Am 1. Oktober 1934 übernahm die Verwaltung die Reichsbahndirektion Halle. Im Jahr 1952 wurde das Bahnbetriebswerk Bayerischer Bahnhof geschlossen. Der Bayerische Bahnhof an sich wurde weiterhin betrieben, bis er am 10. Juni 2001 ebenfalls für mehrere Jahre geschlossen wurde und zwei Jahre später der Bau des heutigen Citytunnels begann. Am heute noch stehende Ringlokschuppen lagen bis zum Jahr 2005 noch die Gleise. Auch der 1899 erbaute Wasserturm wurde im Jahr 2009 abgerissen, da er einer Brücke weichen musste.

Und heuteSo schön es auch ist, dass solche alte Backsteinbauwerke wie der noch existierende Ringlokschuppen denkmalgeschützt sind und nicht einfach abgerissen werden, so traurig ist es auch, wenn diese dann jahrelang verfallen. Tausende Menschen fahren hier täglich in der S-Bahn Mitteldeutschland an der Haltestelle Leipzig MDR vorbei. Und so mancher fragt sich dann bestimmt: Muss das so verkommen? Eigentlich nicht.

Andererseits haben hier Sprayer die Chance, ganz ungestört ihre Kunst an die Wände zu bringen. Es gibt reichlich Graffiti im Spot und an einer Stelle roch man sogar noch die frisch gesprühte Farbe.

Fotografen können tolle Motive finden und in einem Teil des Gebäudes haben sich Skater eine kleine Anlage hergerichtet.

Ganz ungefährlich ist dieser Spot aber auch nicht. Gerade an den ehemaligen Anbauten ist das Dach schon runtergekommen und die Konstruktion hängt herab und quietsch selbst bei leichtem Wind vor sich hin. Das Dach des gesamten Lokschuppens ist löchrig und auch hier könnte jederzeit vielleicht irgendwas abstürzen. Die Löcher im Boden kann man zumindest am Tage noch ganz gut umgehen - im Dunkeln sollte man den Spot aber lieber nicht besuchen.

Im Spot hängen noch Lampengestelle und an den Wänden Teile technischer Anlage, welche ich aber nicht zuordnen kann. Auf jeden Fall reichlich Motive für schöne Bilder und ein interessantes Ambiente.


Gesichert war das Areal mal - die Betonung liegt auf WAR. Denn der ehemalige Bauzaun ist nur noch temporär vorhanden und ein Betretungsverbot ist nicht erkennbar. Letztlich ist es ein klassischer Lost Place und schöner Spot für interessante Fotos mit direktem S-Bahn-Anschluss.

Kommt mit auf einen Rundgang im Video um und durch den alten Ringlokschuppen im Leipziger Süden:


Die Zukunft: Dass man so ein Areal nicht weiter verfallen lässt, hat dann irgendwann auch die Stadt Leipzig erkannt. Seit dem Jahr 2020 kommt Bewegung in die Sache, das Areal wieder aufzuhübschen und nutzbar zu machen. Es gab einen Städtebaulichen Realisierungswettbewerb zur Gestaltung des Areals. Es soll ein lebendiges Gebietszentrum entstehen, welches sowohl Gewerbe, Kunst und Kultur als auch Wohnraum beinhaltet, wobei der Schwerpunkt auf der gewerblichen Nutzung liegen wird. Das Bebauungsgebiet erhielt den Titel "Alte Messe West".

Der Bebauungsplan Nr. 451 "Semmelweißstraße/An den Tierkliniken" ging mit Beschlussvorlage Nr. VII-DS-00672 am 15. April 2020 in die Ratsversammlung. Der Beschlussvorschlag lautete: "1. Die Begründung zum Bebauungsplan wird gebilligt. 2. Die Einleitung des Verfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplanes gemäß § 2 Abs. 1 BauGB für das im Übersichtsplan dargestellte Gebiet wird beschlossen". Damit sollte das Verfahren förmlich eingeleitet werden. Mit Beschlussvorlage VII-DS-07320 wurde dann am 12. Oktober 2022 eine Erweiterung des Geltungsbereiches des Aufstellungsbeschlusses beraten, um eine abgestimmte Gebietsentwicklung zu gewährleisten.

Im Januar 2023 wurden die Dokumentation und die Ergebnisse des Städtebaulichen Wettbewerbs veröffentlicht (Link unterm Blog). Das Preisgericht empfahl, den Gewinner mit der weiteren Bearbeitung des Vorhabens zu beauftragen. Am 18. Januar 2023 wurde der Siegerentwurf öffentlich bekannt gegeben. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit sowie die  Masterplanung sollen im Jahr 2023 erfolgen. In den Jahren 2024 und 2025 ist die öffentliche Auslegung geplant und schließlich soll 2025/26 der Bebauungsplan beschlossen werden. So kann man also davon ausgehen, dass der alte Ringlokschuppen auch seinen 130. Geburtstag noch als Lost Place begeht und hoffen, dass er zum 140. vielleicht schon saniert ist und eine neue Nutzung hat.




Website zum Wettbewerb: LINK



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