Im Saale-Holzland-Kreis in Thüringen befindet sich die einzige vollständig erhaltene barocke Jagdanlage Europas. Erkunden kann man diese bei einer relativ einfachen Wanderung. Ich war unterwegs zwischen Herzogstuhl und Rieseneck.
Im südlichen Saaletal direkt an der Saale gelegen befindet sich ein
spannendes Wandergebiet, die ehemalige Jagdanlage Rieseneck und der
Herzogstuhl. Gestartet bin ich mit der Wanderung zum Herzogstuhl.
Das Auto hab ich an der Landstraße zwischen Freienorla und Hummelshain
abgestellt. Man kann aber auch die Runde anders laufen und den offiziellen
ausgeschilderten Wanderparkplatz nutzen.
Es ging zu Beginn der Wanderung erstmal gemächlich los, später aber dann
doch recht steil bergauf. Gemütlich läuft man von der Straße unten bis zum
Herzogstuhl etwa 15 Minuten - aber wie gesagt, die Steigung ist nicht zu
verachten.
Am Herzogstuhl angekommen, staunt man erstmal nicht schlecht über diesen
Fachwerkturm mitten im Wald. Ein doch etwas kurios anmutendes Bauwerk. Und
auch die Geschichte des Hauses ist kurios. 1915 ließ der Herzog Ernst II.
von Sachsen-Altenburg dieses Bauwerk errichten - als sein ganz privates
Lustschlösschen - so sagt man zumindest. Und es soll sogar eine Geheimtür
gegeben haben, damit die Geliebte schnell flüchten konnte, falls die Ehefrau
auftauchte.
Währen des zweiten Weltkrieges nutzten das Gebäude Angehörige der Wehrmacht
als Versteck. Nach dem Krieg wurde es von einem Schuhfabrikanten und einer
Gewerkschaft besiedelt. Dann 1954 ging es ins Volkseigentum über und wurde
dem damaligen VEB Cals Zeiss Jena übereignet. Im Jahr 1992 wurde es dann von
der Gemeinde gekauft und dem Verein Freundeskreis Rieseneck e. V. zur
Nutzung und Erhaltung übergeben. Eine Sanierung erfolgte dann bis zum Jahr
2000. Zu besichtigen ist das Haus Herzogstuhl dennoch nicht für die
Öffentlichkeit. Allerdings ist die kleine Holztoilette am Turm offen - nur
das Papier ist selbst mitzubringen.
Vom Herzogstuhl ging die Wanderung nun weiter in Richtung der
Jagdanlage Rieseneck. Der Fußweg dorthin beträgt etwa 10 bis 15
Minuten und ist meist ebenerdig - also ein gemütlicher Spaziergang auf einem
breiten Waldweg.
Angekommen an der alten Jagdanlage war ich erstmal überrascht, welche
Dimension diese doch hat. Und auch darüber, wie gut sie erhalten bzw.
restauriert wurde. Die einzelnen Schießhäuser sind teils durch Tunnel
miteinander verbunden - sogenannte Pirschgänge. Erstmal fragt man sich, wie
diese Jagdanlage wohl funktionierte. Aber etwas Nachlesen brachte dann
Erhellung. Man hat auf dem doch recht großen Areal wohl mittels Fütterung
Wild auf den Wildacker gelockt und dieses dann von den Schießhütten aus
erlegt. Um von einer Hütte zur anderen zu gelangen nutzte man die
unterirdischen Gänge, um sich anzupirschen - daher der Name
Pirschgang.
Die Jagdanlage ist heute die einzige noch vollständig erhaltene barocke
Jagdanlage in Europa. Auf Infotafeln von ThüringenForst kann man die
Geschichte der Jagd von gestern und heute nachlesen und erfährt auch viel
Wissenswertes über die Anlage. Zum Beispiel, dass diese in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts errichtet wurde und erst später die Pirschgänge
mit Stein ausgebaut wurden. Als um 1831 in der Umgebung ein großes
Wildgehege angelegt wurde und die herrschaftliche Jagd sich dann dorthin
verlagerte, verlor die Jagdanlage an Bedeutung und verfiel. Grund für das
Anlegen des Geheges war, dass es in der Region zu einer Wildplage kam, da
nur in der Jagdanlage gejagt wurde, nicht aber in der freien Wildbahn
ringherum. Erst 1987 nahm sich der damals gegründete Freundeskreis Rieseneck
dem Erhalt der bis dahin wohl erheblich verfallenen Jagdanlage an. Zusammen
mit der Thüringer Landesforstverwaltung stellte man den zustand vom Zeitraum
1712 - 1727 wieder her. Die Anlage steht heute unter Denkmalschutz.
Von dem Areal der Jagd an sich ging die Wanderung dann weiter zum
Grünen Haus. Es wurde als Jagdhaus im Jahre 1927 erbaut und war eine
Art Schlechtwetterunterkunft und Speisesaal der Herzöge. Es beherbergt wohl
eine Küche, Schlafzimmer sowie Wohnraum. Zu besichtigen war es leider nicht.
Auf dem Areal befinden sich noch weitere Gebäude. Ein ehemaliger
Pferdestall, die Remise, ein Wildbretkeller sowie ein zu DDR-Zeiten erst
errichtetes Brunnenhaus. Leider sind die Gebäude nicht beschriftet.
Ich
vermute, es ist der Wildbretkeller mit Trockenboden, wo die Tür offen stand
und wir hinein gegangen sind. Erst als wir drinnen waren, bemerkten wird
"dunkle Dinge" an der Decke. Es waren zum einen Metallhaken, aber die
schwaren unregelmäßig von der Decke hängenden Teile erkannten wir erst auf
den zweiten Blick: schlafende Fledermäuse. Das veranlasste uns dann auch,
das Gebäude schnell wieder zu verlassen - immerhin will man ja die putzen
Tierchen nicht zu früh aufwecken. Eine spätere Recherche ergab, dass es sich
hier um 3 Pärchen der Kleinen Hufeisennase handelte. Zu sehen sind die
schlafenden Tierchen auch im Video - die Kamera lief ohnehin und so sind sie
mit abgefilmt.
Vom Gründen Haus ging es dann zurück in Richtung Parkplatz. Der Weg war zwar
breit, aber teilweise wegen Schlamm und Wasser gar nicht begehbar, so dass
man auf den Waldrand ausweichen musste. Es ist auf jeden Fall empfohlen,
hier festes Schuhwerk zu tragen und vielleicht auch nicht die besten Schuhe
anzuziehen.
Da wir auf einer Infotafel an der Jagdanlage wussten, dass die jagenden
Herrschaften damals im Neuen Schloss Hummelshain beheimatet waren,
fuhren wir dort auch noch vorbei. Und ich kann Euch sagen, auch dieser Weg
lohnt! Eine wahnsinnig tolles Schloss, welches von einem Förderverein gerade
saniert wird. Es gibt auch an wenigen Tagen im Jahr Führungen - die Termine
stehen an einer Tafel am Schloss. Wer dennoch einen Blick hineinwerfen
möchte, für den stehen QR-Codes bereit, welche auf das Bautagebuch
verweisen. Seit 2018 gibt es hier Einträge und Bilder zum
Sanierungsfortschritt.
Hinter dem Schloss befindet sich noch die Bronze-Skulptur
"Hirschgruppe" mit ihrer ebenfalls interessanten Geschichte. Diese
ist auf einer Tafel nachzulesen.
Fazit: Eine richtig tolle, kurzweilige und relativ leichte Wanderung
für die ganze Familie (sofern die trittsicher und gut zu Fuß ist - für
Kinderwagen und Rollatoren absolut ungeeignet). Die Geschichte der Anlagen
ist total interessant und die Restaurierung bemerkenswert. Eigentlich mit
relativ wenig Erwartung losgewandert und letztlich total begeistert gewesen
vom Ausflug - und das alles für 0 Eintritt!
Ich würde hier gern die Websites der Vereine, die sich um den Erhalt und die
Restaurierung der Anlagen kümmern, verlinken. Aber die Links, die ich
gefunden habe, führen alle ins Leere. Bei meinen Recherchen hab ich folgende
Vereine finden können:
Interessensgemeinschaft "Rieseneck - Grünes Haus e. V."
Freundeskreis Rieseneck e. V.
Falls jemand Hinweise zur Erreichbarkeit geben kann, bitte gern in die
Kommentare schreiben!
Zum Schloss Hummelshain gibt es ebenfalls einen Förderverein und dort
funktioniert auch die Website.
Förderverein Schloss Hummelshain e. V. -
LINK
Wie immer - hier noch ein paar Koordinaten fürs Navi oder einfach um die
Wege und Lagen mal nachzuvollziehen:
Parken an der Landstraße:
GoogleMaps
Standort Herzogstuhl:
GoogleMaps
Standort Jagdanlage Rieseneck:
GoogleMaps
Standort Grünes Haus:
GoogleMaps
Parken Neues Schloss Hummeslhain:
GoogleMaps
Standort Neues Schloss Hummelshain:
GoogleMaps
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